Als Anregung für aktuelle Vorgeschlagene oder für neugierige Interessierte, möchte ich einmal über das Auswahlverfahren sowie die Aufnahme in der Studienstiftung des deutschen Volkes berichten. Ich war eine von zwei für die Studienstiftung empfohlenen Schüler*innen im Abschlussjahr 2018, denn Schulleitungen in ganz Deutschland dürfen pro 40 Abiturient*innen nur eine*n Kandidat*in vorschlagen.
Das Auswahlwochenende, das man zumeist mit circa 30 bis 50 weiteren potentiellen Stipendiat*innen verbringt, ist schon in sich eine Chance, sich auszutauschen, voneinander zu lernen und, nicht zuletzt, Spaß mit „Klassenfahrtcharakter“ zu haben. Von den Vorgeschlagenen werden im Durchschnitt 25% tatsächlich in die Studienstiftung aufgenommen, aber das bedeutet nicht, wie man uns vor Ort noch einmal eindringlich erklärte, dass man in direkter Konkurrenz mit anderen Seminarteilnehmer*innen steht, denn es handle sich um einen Richtwert der letzten Jahre, keinesfalls um eine Quote pro Auswahlwochenende.
Auf meinem Auswahlseminar im Februar 2020 in Bonn verstärkte sich mein Gefühl, dass das Seminarwochenende insgesamt nicht als Konkurrenzveranstaltung, sondern als Gelegenheit empfunden wurde, Zeit mit interessanten Menschen zu verbringen. So macht es auch einfach mehr Spaß.
Durch meinen Auslandsaufenthalt verzögerte sich meine Einladung um ein Jahr, was aber kein Problem darstellt: die Empfehlung ist bis zu drei Jahre gültig.
Im Zug Richtung Bonn las ich mir selbst (und wohl auch meinen Mitfahrern) noch ein paar Mal meinen Vortrag zum Thema „Selbstoptimierung(swahn) in der heutigen Gesellschaft“ vor, um zu überprüfen, ob ich auf die vorgegebenen sieben Minuten kam.
Auf diese sieben Minuten Vortrag sollten dann 13 Minuten durch mich moderierte Gruppendiskussion zum Thema folgen.
Die zeitlichen Vorgaben waren zwar strikt, doch in der Themenwahl war man sehr frei: ein aktuell relevantes Thema, das dich persönlich interessiert und über das sich kontrovers diskutieren lässt, hieß es. Da der Vortrag ein guter Grund ist, sich intensiv mit einem Thema auseinander zu setzen, über das man sich „schon immer seine Gedanken gemacht“ hat, ist der Punkt des „persönlichen Interesses“ nicht zu vernachlässigen, wie ich feststellte.
Aber zurück zu meiner Ankunft in der Jugendherberge in Bonn, die fast vollständig von der Studienstiftung belegt war: Wir waren zu dritt oder viert mit Jugendlichen des gleichen Geschlechts untergebracht und lernten so schnell die ersten Leute kennen.
Schon vor dem gemeinsames Abendessen am Freitagabend, tummelten sich neugierige Gesichter vor den Aushängen über Gruppenzusammensetzungen und Seminarräume, in denen die ehrenamtlichen Komitee-Mitglieder uns empfangen würden. Später am Abend, fand eine Einführungsveranstaltung statt, in der sich unter anderem auch die Komitee-Mitglieder (nicht „Prüfer“ zu nennen, denn man wird ja nicht „geprüft“ J ) vorstellten. Anschließend berichteten auch aktuelle Stipendiat*innen von ihren Erfahrungen mit der Studienstiftung, denn es handelt sich nicht nur um eine finanzielle Förderung, sondern auch um eine ideelle. So werden zum Beispiel Sommerakademien in malerischen Bergorten angeboten oder lokale Treffen in den Studienstädten organisiert. Träumend von den Schweizer Bergseen, von denen eine Stipendiatin so geschwärmt hatte, gingen wir also schlafen.
Den Samstag verbrachten wir damit, in der am Vorabend erfahrenen Gruppenkonstellation abwechselnd Vorträgen zu lauschen, zu diskutieren, Vorträge zu halten und Diskussionen anzuleiten. Von Diskussions-Klassikern wie Designer-Babys und Digitalisierung bis hin zu erstaunlich spezifischen Themen wie der bemannten Raumfahrt waren die unterschiedlichsten Gebiete abgedeckt.
Auch eines der zwei Einzelgespräche mit einem Komitee-Mitglied fand an diesem Tag statt. Dort unterhielt man sich mit einem der „Nicht-Prüfer“ meist über den eingereichten Lebenslauf oder gesellschaftlich relevante Fragen, die auf diesen aufbauen. Ich wurde zum Beispiel über meine Meinung zur Flüchtlingspolitik in Deutschland befragt, nachdem das Komitee-Mitglied und ich uns zuvor über eine ehrenamtliche Tätigkeit im Flüchtlingsheim unterhalten hatten, die in meinem Lebenslauf erwähnt wurde.
Ein sehr spannender, aber auch anstrengender Tag, insbesondere weil wir auch in unseren Pausen nicht müde wurden, uns auszutauschen. Doch die Erschöpfung des Tages konnte uns nicht davon abhalten, am Abend nach ersten vollbrachten Taten einen Ausflug in die Bonner Innenstadt und deren Bars zu machen oder noch ein paar Runden Werwolf zu spielen. Das gilt zumindest für diejenigen von uns, die das Glück hatten, nicht den ersten Gesprächstermin am Sonntagmorgen zu haben oder den Mut, selbigen mit Schlafmangel anzutreten. 😉
Am Sonntag stand abseits von Frühstück, zweitem Einzelgespräch und je nach Abreise auch einem Mittagessen nicht mehr viel auf dem Plan. Wir waren alle überrascht, wie schnell das Seminarwochenende vorbeigegangen war und hatten nicht das Gefühl, uns erst seit zwei Tagen zu kennen. Ich reiste gemeinsam mit vier meiner neuen Bekanntschaften ab, zu denen ich auch nach wie vor Kontakt halte. Zwei von uns haben letztendlich „den größeren Briefumschlag“, sprich die Zusage, erhalten.
Insgesamt war das Wochenende ein großes Vergnügen, unabhängig davon, ob man nun anschließend angenommen wird oder nicht. Die Zusage macht die Freude natürlich noch größer, denn ich träume nun in „Quarantäne“-Zeiten ganz aktiv von den Schweizer Bergseen und zugehörigen Sommerakademien mit Themen wie „effektive Krisenkommunikation in Zeiten von Shitstorms und Fake-News“ oder „A Global Democracy?“, die wohl hoffentlich bald wieder stattfinden können.
Jedem, der durch das RöGy die Chance gewinnt, an einem solchen Förderprogramm teilzuhaben, lege ich es ans Herz, dies interessiert wahrzunehmen. Ich möchte mich auch noch einmal bei meiner ehemaligen Schule bedanken, den Weg zur Studienstiftung für mich geebnet zu haben.
Marieke Mügge